Freyas Stille Geburt
Lange habe ich überlegt, ob ich hier einen Geburtsbericht von Freyas Stillen Geburt verfassen und veröffentlichen will. Schlussendlich habe ich mich nie dazu durchringen können. Obwohl Freyas Geburt alles in allem ein Ereignis war, das mir Mut und Kraft geschenkt hat. Ich hatte ein Kind geboren. Aus eigener Kraft und ohne große Komplikationen.
Zuvor hatte ich immer großen Respekt vor einer Geburt gehabt. Vielleicht auch Angst. Aber irgendwie war da auch immer diese Stimme in mir: “Du bist gut vorbereitet. Eine Geburt ist etwas natürliches. Wenn es funktioniert, funktioniert es und wenn nicht, wäre ein Kaiserschnitt auch nicht das Ende der Welt.”
Aber dann war auf einmal alles anders. Auf einmal war die Geburt nicht mehr die größte Angst.
Nachdem wir erfahren hatten, dass Freyas Herz nicht mehr schlägt, war mein Kopf auf einmal wie leer gefegt. Da war nur noch Leere und ein Gedanke drehte sich endlos in meinem Kopf: “Mein Kind ist tot. Das kann nicht sein. Gestern war doch noch alles Ok. Das kann nicht sein.”
Nach und nach kamen andere Fragen auf: “Was passiert jetzt?” Freya war ja schließlich immer noch in meinem Bauch. Eine Geburt schien mir so unvorstellbar. Diese Schmerzen durchmachen für “nichts”? Ohne am Ende ein lebendiges Kind mit nach Hause nehmen zu können. Mein erster Gedanke war: “Schneidet sie aus mir raus!” Der Gedanke an eine Geburt war die Hölle. Aber gottseidank hatten wir unsere wundervolle Beleghebamme Caro an unserer Seite und auch ein wunderbares Team aus dem Vinzenz Pallotti Krankenhaus. Uns wurde versichert, dass eine natürliche Geburt der beste Weg wäre, um auch psychisch mit dem Tod unserer Tochter besser umgehen zu können.
Die Nacht vor Freyas Geburt
Die Nacht vor Freyas Geburt, die Nacht, nachdem wir von ihrem Tod erfahren hatten, war die schlimmste Nacht meines Lebens. Ich konnte kaum schlafen. Leere, Trauer und Angst. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und doch kam auch immer wieder die Angst hoch. Angst vor dem, was mir noch bevorstand: Eine stille Geburt. Ich scrollte mich durch Instagram, las Geburtsberichte von anderen stillen Geburten, lass Geschichten von anderen Sternenkindern. Ein Abgrund und eine riesige Welt voller Trauer tat sich auf. Ich war jetzt Teil einer Gemeinschaft, der ich nie hatte angehören wollen. Ich war jetzt auch eine Sternenmama.
Am nächsten Morgen kam unsere Hebamme vorbei, um mit uns zu besprechen, wie es weitergehen kann. Gemeinsam besprachen wir mit ihr, dass ich zur Einleitung ins Krankenhaus fahren würde. Ich hätte auch warten können, bis die Geburt von selbst einsetzte. Diese Angst und den Gedanken ein totes Kind in mir zu tragen … in dem Moment hatte ich das Gefühl das keinen Moment länger als nötig zu ertragen.
Unsere Hebamme erzählte uns auch von den ehrenamtlichen Fotografen von Dein Sternenkind und der Möglichkeit Freya und uns fotografieren zu lassen. Obwohl ich es mir damals erst gar nicht vorstellen konnte, dass ich mir einmal Foto von meinem toten Kind ansehen wollen würde. In dem Moment war ich mir noch nicht mal sicher, ob ich sie mir ansehen wollte. Es war einfach alles zu viel. Aber heute bin ich so unendlich froh. Die Fotos von Freyas sind eines der wertvollsten Dinge, die ich besitze.
Freyas Stille Geburt
Ehrlich gesagt möchte ich hier gar nicht auf Details der Geburt selbst eingehen. Die Kurzform ist, dass die Einleitung zunächst mit einem Prostaglandin Zäpfchen gestartet wurde, wodurch eine Reifung des Muttermundes und Gebärmutterkontraktionen angeregt werden sollen. Gegen 22 Uhr nahm ich dann eine Cytotec-Tablette. (Die Risiken waren mir damals nicht bekannt, aber waren für meine stille Geburt auch nur bedingt relevant …)
Innerhalb weniger Minuten setzen die Wehen ein. Besser gesagt ein Wehensturm. Von null auf hundert. Ich durfte sofort in den Kreissaal und bekam zunächst einmal Wehenhemmer, damit es Wehenpausen ab, um mir dann eine PDA setzen zu lassen. Alles Dinge, die ich nie hatte haben wollen. Und ich traue es mich fast nicht zusagen, aber da dem Kind ja nichts mehr passieren konnte, machte ich mir in diesem Moment deshalb auch nur wenige Sorgen und lies mir alles geben, was nötig war, damit es mir besser ging.
Insgesamt dauerte Freyas Geburt nur 4 Stunden. Um 02:05 war sie bei uns. Und tatsächlich dachte ich während der Geburt selbst kaum daran, dass sie gar nicht leben würde. Ich wollte einfach nur meine Tochter bei mir haben. Sie sehen. Sie im Arm halten. Dass wir sie nicht mit nach Hause würden nehmen können … dass sie nie bei uns würde aufwachsen können … Diese Gedanken schossen mir erst in den letzten Presswehen wieder in den Kopf.
So wunderschön. So still.
War ich mir vor der Geburt noch nicht sicher gewesen, so gab es nach ihrer Geburt für mich keine Zweifel: Ich wollte meine Tochter im Arm halten, sie ansehen und alles in mir aufsaugen. Denn ich wusste, dass ich nur diese wenigen Momente, nur diesen Tag mit ihr haben würde. Ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Unsere wunderschöne Tochter. So wunderschön und still. Nie würden wir ihre Augen sehen. Nie ihre Stimme zu hören bekommen. Freya wurde von unserer Hebamme, zusammen mit meinem Freund (inzwischen Mann), gewogen, vermessen und angekleidet.
Wenn ich an diese Nacht denke, kann ich sie vor mir sehen. Uns vor mir sehen. Mit Freya im Arm. Die Bilder haben sich eingebrannt. Ich bin froh, dass es so ist. Manchmal fühlt sich all das so fern an. Als wäre das alles einer anderen Familie passiert. Aber es ist uns passiert. Die Erinnerungen brennen auf der Seele.
Die Trauer ist Teil unseres Lebens geworden. Ein Teil, der uns für immer begleiten wird. Wir werden immer um Freya trauern, wie wir sie auch für immer lieben werden.
Was ich aber auch aus dieser Nacht mitgenommen habe ist Stärke.
Ich habe ein Kind geboren. Mein Kind.
Freya
Geboren am 10.01.2020, um 02:05 im Vinzenz Palotti Krankenhaus Bensberg. 58cm groß und 3.515g schwer. Unsere Tochter. Für immer geliebt. Für immer im Herzen.